Richard F. Wetzell
Rosa von Praunheim, Martin Dannecker und das Verhältnis der westdeutschen Schwulenbewegung zur homosexuellen Subkultur, 1971–1986

Von Nicht der Homosexuelle ist pervers … zum Streit in der Aids–Krise

Übersicht des Beitrags

Richard Wetzells Aufsatz nimmt den öffentlichen Streit (1984–1986) zwischen dem Filmemacher Rosa von Praunheim und dem Sexualwissenschaftler Martin Dannecker darüber, wie westdeutsche homosexuelle Männer auf Aids reagieren sollten, zum Ausgangspunkt, um die Einstellung der beiden ehemaligen schwulenpolitischen Weggefährten – und darüber hinaus der westdeutschen Schwulenbewegung – zur schwulen "Subkultur" zu untersuchen.

Der 1971 von Praunheim in Zusammenarbeit mit Dannecker produzierte Film Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt artikulierte eine Kritik der schwulen Subkultur, die einen starken Einfluss auf die Schwulenbewegung der 1970er Jahre ausübte. Diese Subkulturkritik beinhaltete sowohl die politische Kritik, dass die Subkultur der politischen Emanzipation der Schwulen im Wege stehe, als auch die sexualemanzipatorische Kritik, dass die "promisken" Verkehrsformen der Subkultur die Entfaltung einer genuin "befreiten" Sexualität verhinderten.

Der Aufsatz argumentiert, dass diese Subkulturkritik ein integraler Bestandteil des Verständnisses der Bewegung von schwuler politischer und sexueller Befreiung war. Wie die Expansion der kommerziellen Subkultur zeigte, blieb diese Kritik jedoch letztlich erfolglos und traf auf zunehmenden Widerstand. Während Praunheim die Aids–Epidemie als Chance begriff, seiner Subkulturkritik der 1970er Jahre neue Dringlichkeit zu verleihen, schätzte Dannecker die Tendenz zu repressiver Sexualmoral, wenn nicht sogar staatlicher Repression, in der Aids–Krise als so bedrohlich ein, dass er es für verfehlt hielt, die Subkulturkritik der 1970er Jahre fortzusetzen.




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