Hans-Peter Weingand:
Die Schwangerschaft des Soldaten Daniel Burghammer

Zum Umgang mit Intersexualität in öffentlichen Diskursen um 1601

Übersicht des Beitrags

Hans-Peter Weingand untersucht die Geschichte des Landsknechts Daniel Burghammer, der 1601 in der Lombardei ein Kind gebar, auf Grundlage eines Fuggerbriefes, der über dieses Ereignis berichtet. Burghammer war als Junge aufgewachsen, mit einer Frau verheiratet und von einem Mann schwanger geworden. Er sagte der staunenden Öffentlichkeit, dass er halb Mann und halb Frau sei. Die Ehe wurde geschieden, das Ereignis bestaunt, die Taufe der kleinen Tochter Elisabeth war ein großes Fest. Die Geschichte wurde in Flugschriften, Chroniken und wissenschaftlichen Texten des 17. Jahrhunderts rezipiert.

Weingand zeigt, wie sich Autoren der Frühen Neuzeit Gedanken über Daniel Burghammers offensichtlich geschlechtlich uneindeutigen Körper und Verhalten machten, und bezieht heutige Lesarten ein. Phänomene von Intersexualität waren EuropäerInnen in der Frühen Neuzeit durchaus bekannt. Seit der Antike sammelten Autoren mythische Berichte, aber auch Beobachtungen von Ärzten und Naturforschern. Die Bandbreite der Interpretationen solcher war in der Frühen Neuzeit groß: Sie galten als göttliche Zeichen, entweder als Beweis für die Schöpfungskraft Gottes oder verborgener Ordnung vielgestaltiger Natur – aber auch als Unordnung und damit als Auswuchs der Sündhaftigkeit der Menschen.

Burghammer wurde unterschiedlich betrachtet, in der Regel wird er abhängig von seinem Verhalten als Frau oder Mann angesehen. In der Gemeinde, in der das Ereignis geschieht, wird er nicht negativ behandelt oder bewertet. Er wird wie eine Frau betrachtet, die mit einem Mann Sex hatte. Die Geburt eines Kindes galt der Gemeinde nicht als bedrohlich, die Taufe war ein Fest. Andernorts erscheint der Fall als eine Warnung vor Sodomie, während ein weiterer Autor die Ansicht vertritt, Burghammers sexuelle Kontakte fielen nicht unter den Tatbestand der männlichen oder weiblichen "Sodomie", sondern entzögen sich dem Strafrecht. Auffallend ist, dass Burghammer in allen Fällen nicht aufgrund seines Körpers, sondern aufgrund seines Handelns beurteilt wird.




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