Ben Miller:
Wozu sind wir da?

Harry Hay, die Homosexuellenfrage und das Erbe des Marxismus

Übersicht des Beitrags

Ben Miller zeichnet in seinem Artikel die Diffusion marxistischer Theorie in die intellektuelle Auseinandersetzung um Begründung und Art eines neuen homosexuellen Aktivismus in den USA der 1950er und 1960er Jahre nach. Diese wurde maßgeblich von Harry Hay (1912–2002), einem wichtigen Wegbereiter der US-amerikanischen Homosexuellen- und Homophilenbewegungen, vorangetrieben.

Aufbauend auf Analysen zur materiellen Geschichte sozialer und sexueller Bedürfnisse, sei es Hay zufolge Aufgabe des Aktivismus seiner Zeit, die Frage nach der gesellschaftlichen Aufgabe des homophilen Mannes in der Gesellschaft zu stellen. Beeinflusst durch Friedrich Engels' Konzept des matriarchalen, primitiven Kommunismus, verstand Hay gleichgeschlechtlich begehrende Menschen kultur- und epochenübergreifend als "kulturelle Minderheit". Als solche hätten sie in der Geschichte in einem spannungsvollen Verhältnis zur (heterosexuellen) "Elterngesellschaft" gestanden, die zunehmend jede Form homosexuellen Begehrens marginalisiert und verschleiert habe, aber dennoch auf die kritischen Impulse der von homophilen Männern bestimmten "Institutionen" angewiesen gewesen sei. Miller zeigt, welche Bedeutung der nordamerikanische Berdache für diese Theoriebildung Hays hatte.

Unter Berücksichtigung bislang noch wenig erforschter Manuskripte Hays legt Miller dar, wie dieser trotz einer gewissen Tendenz zu essentialistischem Denken und Siedlerromantik die intellektuelle Grundlage für ein postmodernes Verständnis der Vielfalt und Wandelbarkeit geschichtlich und kulturell spezifischer Formen sexuellen Begehrens schuf, das in queer-theoretischen Debatten an Aktualität nicht eingebüßt hat.




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