Erwin In het Panhuis: Hinter den schwulen Lachern: Homosexualität bei den Simpsons

Berlin: Archiv der Jugendkulturen Verlag 2013, 208 S., 28 € 

sorry, no cover

 

Rezension von Stefan Micheler, Hamburg

Erschienen in Invertito 16 (2014)

Erwin In het Panhuis nimmt nach Star Trek und Bravo ein weiteres wichtiges Element der zeitgenössischen Populärkultur unter die Homo-Lupe: Die Simpsons. Matt Groenings Sitcom ist die am längsten laufende Zeichentrickserie der Welt und wird in über 100 Ländern von einem Millionenpublikum gesehen. Die Studie ist die erste wissenschaftliche Beschäftigung mit Homosexualität in Zeichentrickserien überhaupt.

Die deutschen Synchronfassungen der ersten 500 der nunmehr 543 Folgen der seit 1989 laufenden Simpsons und den Kinofilm von 2007 wertet Erwin In het Panhuis unter der Fragestellung aus, wie Homosexualität in einer der beliebtesten Fernsehserien der Welt dargestellt wird. Darüber hinaus berücksichtigt er die englische Originalversion und zieht auch die Audio-Kommentare der Produzenten heran. Ihn interessiert vor dem Hintergrund, "dass das Fernsehen als wichtigstes Leitmedium in einem hohen Maße ständig auch gesellschaftliche und politische Meinungsbildungsprozesse" beeinflusse (S. 9), "wie ein Mainstream-Medium mit Homosexualität umgeht" (S. 8).

Das reich mit Screenshots bebilderte und insgesamt ausgesprochen liebevoll gestaltete Werk gliedert sich in zwei Kapitel über die "Figuren" und "Themen", letzteres ist wiederum in Teilbereiche wie "Medien und Kultur", "Kirche, Religion und Homo-Ehe" oder "Sexualität und Körper" untergliedert, wobei Überschneidungen sich nicht vermeiden ließen. Vier Folgen, die Homosexualität als Hauptthema behandeln, werden genauer untersucht. Ein weiteres Unterkapitel widmet sich anderen US-amerikanischen Zeichentrickserien, wobei Erwin In het Panhuis Die Simpsons als deren Vorbild für die Thematisierung von Homosexualität ansieht. Wo es angebracht erscheint, fließt auch die Rezeption einzelner Episoden oder besonderer Aspekte einer Folge in die Untersuchung ein. Jedes Unterkapitel endet mit einem Fazit, so dass man auch die Ergebnisse im Zusammenhang lesen kann.

Erwin In het Panhuis macht sowohl das offensive und offensichtliche Thematisieren von Homosexualität als auch ein selbstverständliches Darstellen in Nebenaspekten aus, die zum Teil nur durch freeze-framing, also das gezielte Ansehen von Einzelbildern, zu erkennen sind. Die Häufigkeit und die Deutlichkeit der Darstellung von Homosexualität hätten seit 1989 zugenommen, dies entspreche einerseits einem sich wandelnden Zeitgeist, andererseits dokumentierten Medien aber nicht nur, sondern trügen auch zu einem gesellschaftlichen Diskurs bei (S. 192). Das Thematisieren von Homosexualität erfolge analog zur "hintergründigen und kritischen Kommentierung politischer, gesellschaftlicher und religiöser Zusammenhänge" in der für Die Simpsons typischen Form "der Satire in einer subversiven und nicht moralisierenden Form" (S. 8), worin auch ein wesentlicher Teil ihres Erfolges zu sehen sei.

Die Serie habe in Bezug auf Schwule und Lesben eine offene Einstellung und vermittle "die klare Botschaft von Akzeptanz". Homophobie werde durchweg eingesetzt, "um sich am Ende gegen die Homophobie zu positionieren". Schwule und Lesben würden zwar mit Klischees geschildert, die letztlich nicht zu beanstanden seien, da diese ironisch gebrochen und Lesben und Schwule "insgesamt positiv geschildert" würden: "Sie sind gesellschaftlich integriert und haben fast nie Probleme mit ihrer Homosexualität." (S. 193) Thematisiert würden neben grundsätzlich kritischen Blicken auf Kirche, Politik und Medien insbesondere die "Ursachen" und die vermeintliche "Heilbarkeit", das Coming-out und die "Homo-Ehe", während das Thema HIV/Aids zu wenig Beachtung finde und Lesben, abgesehen von einer Hauptnebenfigur, unterrepräsentiert seien. Eine direkte Erklärung hierfür liefert der Autor nicht, obwohl sie in seinem Text angelegt ist: "Zeichentrickserien gehen mit Homosexualität […] genau so um wie andere Medien mit anderen gesellschaftlichen Themen: Nach dramaturgischen, kommerziellen und publikumswirksamen Gesichtspunkten werden Inhalte ausgewählt, vereinfacht und so [wird] ein produziertes Bild an die Öffentlichkeit zurückgegeben." (S. 192) Offensichtlich haben Lesben und Aidskranke einen zu geringen Unterhaltungswert für ein Massenpublikum, als dass die übliche mediale Marginalisierung aufgehoben werden könnte.

Der Anhang mit einem Register der gezeichneten Figuren der Simpsons-Welt und der darin karikierten Personen unserer realen Welt, Film- und Musiktitel macht das Werk auch zu einem nützlichen Nachschlagewerk, zusätzlich gibt die Website detaillierte Informationen zu allen Folgen und den Audiokommentaren:

http://www.erwin-in-het-panhuis.de/schwule-und-lesben-bei-den-simpsons




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