Christiane Leidinger:
Gründungsmythen zur Geschichtsbemächtigung? - Die erste autonome Schwulengruppe der BRD war eine Frau

Übersicht des Beitrags

Ausgehend von einem Mythos schwuler Historiografie, die erste autonome Schwulengruppe der BRD sei ein Zusammenschluss ausschließlich von Männern gewesen, wird die frühe Geschichte der 1970 entstandenen Homosexuellen Aktionsgruppe Bochum (HAG) sowie deren anfängliches Selbstverständnis skizziert und ihre Aktionen und Ziele mikrohistorisch und im bewegungsgeschichtlichen Kontext analysiert. Zur Abgrenzung wird zunächst auf die frühen, bürgerlich orientierten Organisationen eingegangen, die seit 1945 gegründet wurden und die als Vorläufer der autonomen Schwulenbewegung zu würdigen sind. Bei der Rekonstruktion der Entstehungsgeschichte der Bochumer HAG zeigt sich, dass die erste vermeintliche Schwulengruppe von einer Lesbe, Waltraud Z., gegründet wurde und sich darin auch weitere lesbische Frauen engagierten. Insofern handelt es sich bei der HAG um den ersten schwul-lesbischen Zusammenschluss in der BRD. Als weiteres Beispiel für das Ausblenden von Lesben in den ersten Jahren der autonomen Schwulen-(und Lesben-)Bewegung wird die erste Demonstration von männlichen und weiblichen Homosexuellen in Münster 1972 angeführt. Abschließend werden diese Beispiele des Verschwindens lesbischer Frauen in der Geschichtsschreibung und die damit verbundene Mythenbildung vor dem Hintergrund der Geschlechterkonflikte zwischen Lesben und Schwulen als Form der Geschichtsbemächtigung interpretiert.




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