Stefan Micheler
Zeitschriften und Verbände gleichgeschlechtlich begehrender Menschen in der Weimarer Republik
Ansätze einer Organisationsgeschichte

Übersicht des Beitrags

Die Weimarer Republik brachte mit den Freundschaftsverbänden und den von ihnen herausgegebenen Freundschaftszeitschriften neue Formen der Öffentlichkeit und neue Organisationsstrukturen gleichgeschlechtlich begehrender Menschen mit sich. Die Zeitschriften und Verbände, aber auch die zahlreichen neuen Freundschaftslokale, ermöglichten eine Erweiterung der Netzwerke gleichgeschlechtlich begehrender Menschen im Allgemeinen und der "homosexuellen Bewegung" im Besonderen.

Stefan Micheler zeichnet die Geschichte der Verbände und ihrer Zeitschriften nach, dabei werden auch die persönlichen und politischen Konflikte ihrer Repräsentanten beleuchtet. Mit der Freundschaft erschien ab August 1919 die erste Homosexuellen-Zeitschrift, die sich nicht nur an bildungsbürgerliche Schichten wandte. Sie forcierte die Bildung örtlicher Freundschaftsverbände, die politischen Kampf und Freizeitgestaltung verbinden wollten und sich 1920 zum Deutschen Freundschaftsverband (DFV) zusammenschlossen. Der DFV war in den Inflationsjahren offensichtlich nicht in der Lage, nach außen zu treten und verstrickte sich in interne Konflikte. 1922/23 nutzte Friedrich Radszuweit (1876-1932) die Querelen, trat an die Spitze des Verbandes, der sich in Bund für Menschenrecht (BfM) umbenannte, und machte ihn zu einer in der Öffentlichkeit wahrgenommenen Organisation. In der Folgezeit gab Radszuweit eine Vielzahl unterschiedlicher Zeitschriften für gleichgeschlechtlich begehrende Menschen heraus und verband seine Geschäftsinteressen mit denen der Bewegung. Radszuweit reklamierte die Führung der "homosexuellen Bewegung" für sich und war nicht zuletzt wegen seines massiven Auftretens bei anderen Repräsentanten der Bewegung umstritten. 1925 kam es zur Neugründung des DFV, der seinerseits eigene Zeitschriften herausgab. Die Zeitschriften der unterschiedlichen Verbände bzw. Verlage standen in scharfer Konkurrenz zueinander und wurden ständig von der Zensur bedroht. Anfang der 30er Jahre ging die Aktivität der Verbände zurück, in den ersten Monaten der NS-Herrschaft stellten alle Zeitschriften ihr Erscheinen ein und lösten sich die Gruppen auf.




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