Ursula Nienhaus:
Nicht für eine Führungsposition geeignet.
Josefine Erkens und die Anfänge weiblicher Polizei in Deutschland 1923-1933

Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot 1999, 146 S., 39,80 DM

Rezension von Jens Dobler, Berlin

Erschienen in Invertito 2 (2000)

Ursula Nienhaus ist die ausgewiesene Fachfrau für die Geschichte der Weiblichen Kriminalpolizei (WKP) in Deutschland. Mit dem jetzt erschienenen Band über Josefine Erkens setzt sie ihre Arbeit fort, die mit Friederike Wieking, einer anderen wichtigen Figur der WKP, begonnen hat. Nienhaus bleibt jedoch nicht in der Biographie verhaftet, sondern beschreibt den Polizeiapparat, die Zeitumstände und die Rolle der Frauenemanzipation im Zusammenhang, und das in einer sehr gut lesbaren Form.

Während der alliierten Rheinlandbesetzung wird in Köln nach englischem Vorbild die "Frauenpolizei" gegründet, der seit 1922 Josefine Erkens angehört. Schnell wird Erkens befördert und baut mit Mitstreiterinnen landesweit Organisationen weiblicher Polizei in Polizeibehörden auf. Am 1. April 1927 geht sie als Kriminaloberinspektorin nach Hamburg, um dort die WKP aufzubauen. Mit ihr gehen zwei Kolleginnen aus Köln mit, die hierarchisch nachgeordnet sind. Auch in Hamburg beweist sie ihr Durchsetzungstalent und hat in wenigen Jahren eine große funktionsfähige Abteilung mit mehreren Frauen und auch Männern unter sich. Im Juli 1931 begehen die beiden ehemaligen Kölner Kolleginnen gemeinsam Selbstmord, und Erkens gerät, so kann Nienhaus nachzeichnen, in einen Mobbingskandal, in deren Folge sie ihre Stellung verliert und die Leitung der WKP schließlich einem Mann übertragen wird.

Nienhaus weist nach, dass es insbesondere die radikalen Frauen der Frauenbewegung (in England die Suffragetten) waren, die in Männerberufe drängten und in der Polizei auch in Uniform Dienst verrichten wollten, darunter haben sich viele lesbische Frauen befunden. So liegt dem Selbstmord der beiden Kolleginnen eine lesbische Tragödie zugrunde, die auf Grund der Quellenlage nicht im Detail rekonstruiert werden konnte. Nienhaus schreibt dazu: Beide waren ein Paar, trotzdem habe die eine, Therese Dopfer, wohl Erkens ständig bedrängt und ihr Geschenke gemacht. Zudem sei sie nicht damit zurechtgekommen, dass Erkens ihre Vorgesetzte war. Wohl aufgrund der Zurückweisung durch Erkens kam es zu gegenseitigen Beschwerden beim Polizeipräsidenten, in deren Verlauf Erkens Position zunächst gestärkt wird. Die beiden Freundinnen wählten den Freitod. Aufgrund eines schmählichen Zeitungsartikels fragt Nienhaus: "Warum konnte er [der Schreiber des Artikels, J.D.] Dopfers und Fischers lesbische Beziehung nicht offen beim Namen nennen?" (S. 67) Die Frage geht zurück an Nienhaus. Erst auf dieser Seite wird die lesbische Beziehung der beiden Beamtinnen offen beim Namen genannt. Vorher ließ sich dies nur als 'geschulter Homosexueller' zwischen den Zeilen vermuten. Ob Erkens selbst lesbisch war, wird in dem Buch nicht benannt, sondern bleibt im Bereich der Vermutung. Das ist dann auch schon die einzige Kritik an dem sehr interessanten Buch: Die lesbische Dimension der Frauenbewegung muss sich anscheinend hinter der Frauenemanzipation verstecken und bleibt weitgehend unsichtbar.




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